Porträt einer jungen Ärztin auf dem Flur des Krankenhauses

28. Österreichische Konferenz Gesundheitsfördernder Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen

Mitarbeiter:innen gewinnen, binden und fördern – Innovative Ansätze für Gesundheitseinrichtungen

21.-22. November 2024

Veranstaltungsort:

Klinik Floridsdorf ­-­ Wiener Gesundheitsverbund
Brünner Straße 68
1210 Wien

STRAIN 2.0: Erfassung und Management von Stressoren am Arbeitsplatz in den Gesundheitsberufen

Dr. Christoph Golz
Gesundheit, Fachbereich Pflege, Berner Fachhochschule, Schweiz

Gesundheitseinrichtungen weltweit sehen sich mit einem zunehmenden Personalmangel konfrontiert, der durch verschiedene Faktoren, wie beispielsweise dem demografischen Wandel, einer alternden Bevölkerung sowie einem Anstieg an komplexen Behandlungssituationen, weiter verschärft wird. Diese Entwicklungen resultieren in einer deutlichen Zunahme der Arbeitsbelastung, was wiederum eine gesteigerte Fluktuation unter Gesundheitsfachpersonen zur Folge hat. Ein beträchtlicher Anteil an Gesundheitsfachpersonen tritt frühzeitig aus dem Beruf aus oder wechselt die Einrichtung. Dies birgt das Risiko, dass die langfristige Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung nicht gewährleistet werden kann.
Um die Ursachen dieser Entwicklungen besser zu verstehen und um gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu identifizieren, wurde zwischen 2017 und 2021 die Interventionsstudie STRAIN – Work-related stress among health professionals in Switzerland – durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurden 160 Gesundheitseinrichtungen mit insgesamt etwa 19.000 Gesundheitsfachpersonen untersucht. Die Resultate der Studie legen nahe, dass arbeitsbedingte Stressoren, wie die fehlende Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, hohes Arbeitsvolumen, hohe emotionale und physische Belastungen sowie eine inadäquate Arbeitsumgebung, maßgeblich zur Unzufriedenheit und zum Wunsch nach einem Berufswechsel beitragen. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die Qualität der Führung einen entscheidenden Einfluss auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen hat. Allerdings sind auch sie oft von einer hohen Arbeitsbelastung betroffen und verfügen dadurch nicht über ausreichende Ressourcen, um diese Herausforderungen effektiv zu bewältigen.

Gesundheitseinrichtungen nutzen für die Wahl ihrer Maßnahmen einerseits die Empfehlungen aus der STRAIN-Studie oder lassen sich durch Best-Practice zu eigenen Maßnahmen inspirieren. Trotz begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen fehlt jedoch häufig eine profunde Evaluation hinsichtlich der Wirkung. Auf Basis der Erkenntnisse der STRAIN-Studie wurde das Nachfolgeprojekt STRAIN 2.0 initiiert. Die Längsschnittstudie verfolgt das Ziel, Gesundheitseinrichtungen in die Lage zu versetzen, die Auswirkungen von Maßnahmen zur Stressreduktion und Gesundheitsförderung über einen längeren Zeitraum hinweg systematisch zu erfassen und zu evaluieren. Die Datensammlung, -aufbereitung, -analyse und die Berichterstattung erfolgen dabei nahezu automatisch. Ein wesentlicher Aspekt von STRAIN 2.0 ist die enge Verknüpfung von Gesundheitsförderung und Arbeitsbedingungen. Die Studie fokussiert sich nicht allein auf die Erfassung kurzfristiger Stressreaktionen, sondern auch auf die Analyse längerfristiger Gesundheitsauswirkungen, wie beispielsweise Burnout-Symptome, Schlafqualität, allgemeine Gesundheit und Arbeitszufriedenheit. Dies erlaubt eine fundierte Analyse der Auswirkungen gezielter Maßnahmen, wie beispielsweise die Einführung familienfreundlicher oder KI-basierter Dienstpläne, die Reduktion der Wochenarbeitszeit oder Co-Führungsmodelle, auf die Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden über einen längeren Zeitraum. 
Durch die regelmäßige Datenerhebung sowie den anonymen Vergleich der Ergebnisse zwischen verschiedenen Gesundheitseinrichtungen ist es möglich, individuelle, auf die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Einrichtung zugeschnittene Maßnahmen zu wählen. Das übergeordnete Ziel besteht in der Verbesserung von Arbeitsbedingungen sowie der Förderung der langfristigen Gesundheit von Mitarbeitenden, wodurch eine Stärkung der Personalbindung erreicht werden soll.

Die Kombination aus wissenschaftlich fundierten Evaluationsmethoden und der Möglichkeit, die Auswirkungen von Maßnahmen über einen längeren Zeitraum zu beobachten, macht STRAIN 2.0 zu einem innovativen und unverzichtbaren Werkzeug für Gesundheitseinrichtungen, die eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Gesundheit ihrer Mitarbeitenden anstreben. Die systematische Vorgehensweise von STRAIN 2.0 trägt dazu bei, die hohe Fluktuation in den Gesundheitsberufen zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Gesundheitsversorgung langfristig zu sichern.